Twitter – die neue Presseagentur?

tontaubes Tweet mit FolgenMittlerweile wird in allen Medien davon berichtet: Heute morgen ereignete sich im unweit von Stuttgart entfernten Winnenden ein Amoklauf, der etliche Todesopfer gefordert hat. Obwohl die Twitter-Nutzerin tontaube überhaupt nichts mit dem eigentlichen Geschehen zu tun hat, überschlagen sich gegen 10 Uhr die Ereignisse.

Die Ex-Studentin, die Twitter zuvor benutzt um ihre Freunde u.a. darüber zu informieren welche Amerikaner-Rezepte sie ausprobiert, und dass ihr die beginnenden Halsschmerzen gänzlich ungelegen kommen, verfasst zu diesem Zeitpunkt die im Bild zu sehende Nachricht: „ACHTUNG: In der Realschule Winnenden gab es heute einen Amoklauf, Täter angeblich flüchtig – besser nicht in die Stadt kommen!!!!“ Bis dahin hatte sie etwa 50 Follower.

Die Berliner Morgenpost schickt die eigene Meldung über den Amoklauf zwar als Erstes hinaus in die Twitterwelt, jedoch wird schnell bekannt, dass sich tontaube vor Ort – genauer gesagt im Büro im Bahnhof Winnenden – befindet. Kurzum retweetet (Anm.d.Red. Twittersprache für „weitersagen“) die Berliner Morgenpost die Nachrichten von tontaube und verhilft ihr dadurch unerwartet zu immenser Aufmerksamkeit. Die Followerzahl steigt binnen Minuten auf über 200 an, etliche Twitter-Nutzer schließen sich der Idee der Berliner Morgenpost an und tontaube kann sich vor Retweets und Anfragen kaum noch retten.

Währenddessen ist auch die ausländische Presse auf das aufmerksam geworden, was sich bei Twitter abspielt. Reporter der CNN stellen Interview-Anfragen und auch die Kollegen aus Holland und Dänemark springen auf das Pferd mit auf. Dabei hat tontaube doch auch keine weiteren Infos und ihr Tweet „Liebe Presse: ich weiss doch auch nichts von dem Verrückten…“ klingt eher nach einem Hilferuf als nach Freude über die neue Popularität.

Auch die restlichen Twitter-Nutzer sind natürlich sehr aktiv. Es fallen wildeste Spekulationen, alles was irgendwo aufgeschnappt wird, wird als Nachricht an die Welt übermittelt. Selbst n-tv beginnt Twitter Meldungen ins Programm einzubauen.
Eins ist offensichtlich: Über Twitter lassen sich die Meldungen in Echtzeit verbreiten. Dies scheint der Presse sehr zu gefallen und bei der Gier nach neuen Informationen wird auch das ein oder andere übermittelt, was sich im Nachhinein als falsch erweist. Doch darauf kann man keine Rücksicht nehmen, Hauptsache man ist vorne mit dabei.

Ist Twitter somit die neue Presseagentur? Nachrichten in Echtzeit und Hobby-Reporter, die kostenfrei auf der ganzen Welt bereitstehen? Wohl kaum, denn echte Presseagenturen zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass sie bewährte Reporter und Journalisten haben, dass die Quellen meistens belegt sind und meist keine wilden Spekulationen voreilig veröffentlicht werden. Bei Twitter ist es eher die Suche nach der Nadel im Heuhaufen und man sollte sehr genau auf den Wahrheitsgehalt der einzelnen Nachrichten achten.

Es ist nunmal doch nicht jeder ein geborener Reporter.

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